Reform des österreichischen Insolvenzrechts forciert einen “ Run“ auf Privatkonkursgerichte
Seit dem 1. November 2017 gelten neue Regelungen für den Privatkonkurs in Österreich. Laut Angaben des “ Alpenländischen Kreditorenverbandes“ ( AKV) löste die Reform im ersten Jahr einen regelrechten Ansturm auf österreichische Privatkonkursgerichte aus.
Demnach beantragten zwischen dem 1. November 2017 und dem 31. Oktober 2018 österreichweit rund 10000 Personen Privatkonkurs. Gegenüber dem jeweiligen Vergleichszeitraum bedeutet diese Entwicklung ein Zuwachs der Privatkonkurse um 53 %.
Die Neuregelungen erleichtern den Verfahrensablauf maßgeblich und machen den Privatkonkurs für neue Personengruppen interessant.
Das Wegfallen der zehnprozentigen Mindestquote führt dazu, dass insbesondere Schuldner mit verhältnismäßig geringen Verbindlichkeiten bei einem gleichzeitig niedrigen Einkommen das neue Insolvenzrecht beanspruchen. Das neue Modell ist zudem für gescheiterte Selbstständige mit objektiv hohen finanziellen Belastungen attraktiv.
Die Gesamtverbindlichkeiten der Schuldner in Österreich betrugen zum Ende des Kalenderjahres 2018 1,6 Milliarden Euro. Gemäß der Aussage von Finanzexperten markiert dieser Betrag einen in der Vergangenheit noch nie dagewesenen Wert.
Die durchschnittliche Verschuldung, der Menschen in einem Privatkonkurs- Verfahren liegt in der Alpenrepublik aktuell bei 167000 Euro. Rund 33 % aller Privatkonkurse in Österreich werden in der Landeshauptstadt Wien abgewickelt.
Wozu dient der Privatkonkurs?
Der Begriff “ Privatkonkurs“ wird nach derzeitigem Rechtsverständnis als “ Schadensregulierungsverfahren“ klassifiziert, das explizit auf die spezifischen Bedürfnisse von Privatpersonen zugeschnitten ist. Die gesetzlichen Vorgaben formuliert die Insolvenzordnung (IO).
Intention des Privatkonkurses ist eine anteilige Schuldentilgung der Schuldner, die sich über einen bestimmten Zeitraum erstreckt. Binnen dieser Phase sind Beträge zu entrichten, die objektiv leistbar sind.
Im Rahmen dieses Intervalls soll Personen in Privatkonkurs eine bescheidene, gleichzeitig aber menschenwürdige Lebensführung zugebilligt werden. Bei Einhaltung der vertraglich vereinbarten Zahlungen, gelten Schuldner im Anschluss an das Verfahren als schuldenfrei.
Über das Verfahren erhalten Gläubiger einen Anteil ihres Geldes zurück. Auf den Rest der Summe müssen sie allerdings verzichten.
Das gerichtliche Schuldenregulierungsverfahren ermöglicht zahlungswilligen Schuldnern einen wirtschaftlichen Neustart. Staatlich zugelassene Schuldnerberatungen unterstützen Personen in Privatkonkurs unentgeltlich bei gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren. Seit dem Jahre 1995 können Personen in der Alpenrepublik Privatkonkurs beantragen.
Wer kann einen Antrag auf Privatkonkurs stellen?
Die gesetzlichen Vorschriften zu Schadenregulierungsverfahren besitzen Gültigkeit für sämtliche “ natürliche Personen“.
Ebenso können ehemalige Unternehmer, die private Schulden aus ihrer früheren beruflichen Tätigkeit davongetragen haben, Privatkonkurs anmelden. Generiert ein als “ juristische Person“ geführtes Unternehmen Schulden, sind diese als Firmenschulden einzustufen. Die Abgeltung der jeweiligen Summe ist über ein Firmeninsolvenz- Verfahren abzuwickeln. Außerdem kann die Beantragung auf Privatkonkurs durch Gläubiger erfolgen.
Welche Voraussetzungen sind zu erfüllen, um Privatkonkurs beantragen zu können?
Grundsätzlich können Personen mit Hauptwohnsitz in Österreich und einer objektiv gesicherten Wohnsituation eine Konkurseröffnung einleiten, wenn sie zahlungsunfähig sind. Zudem muss die Kompensation der laufenden Fixkosten durchführbar sein. Für die Beantragung muss eine Liste vorgelegt werden, die sämtliche Gläubiger aufführt.
Gleichzeitig muss der Antragssteller ein Vermögensverzeichnis darbringen, neue Schulden vermeiden und den Gläubigern monatlich einen bestimmten Betrag zur Verfügung stellen.
Wie können Betroffene einen Antrag auf Eröffnung des Schadensregulierungsverfahrens stellen?
Im Sinne der österreichischen Insolvenzverordnung kann ein offizieller Antrag auf Konkurseröffnung für Privatpersonen beim regionalen Bezirksgericht eingebracht werden. Auf der Onlinepräsenz des Bundeskanzleramtes stehen kostenfrei Formulare zur Eröffnung des Privatkonkurses zum Download zur Verfügung.
Zusätzlich liegen die Dokumente sowohl bei den zuständigen Gerichten als auch bei den einzelnen Schuldnerberatungsstellen aus. Bei Bedarf können die Formulare im “ PDF- Format“ online an die Gerichte gesendet werden.
Auf Wunsch können Schuldner den Antrag zur Eröffnung des Verfahrens mündlich bei Gericht protokollieren lassen. Der Konkurseröffnungsantrag muss während ein bestimmtes Zeitfensters vom Schuldner gestellt werden.
Demnach muss der Antrag zwingend binnen der ersten 60 Tage nach dem tatsächlichen Eintritt in die Zahlungsunfähigkeit bei der zuständigen Behörde eingehen. Diesbezügliche Zuwiderhandlungen markieren ein “ schuldhaftes Zögern“ seitens des Schuldners.
Ist das Schadensregulierungsverfahren offiziell eröffnet, können gebührenfrei über die Insolvenzdatei und das Gericht detaillierte Informationen eingeholt werden. Umfassende Daten der Schuldner bzw. Gläubiger, die gegenständliche Anschrift des zuständigen Massenverwalters, die Prüfungstagsatzung, die genaue Frist für die jeweilige Forderungsanmeldung sowie das festgesetzte Datum der Gläubigerversammlung können erfragt werden.
Was sind die Unterschiede zwischen einem Konkursantrag mit und ohne Kostenvorschuss?
In Österreich existiert die Möglichkeit einen Konkursantrag mit oder ohne Kostenvorschuss zu stellen. Eine Konkurseröffnung mit Kostenvorschuss erfolgt ausschließlich bei der Leistung des Kostenvorschusses durch den Schuldner.
Diese Summe muss die Anlaufkosten des Verfahrens finanziell abdecken und ist während der Antragsstellung zu entrichten.
Die Mehrheit der österreichischen Bezirksgerichte nimmt die Beantragung des Verfahrens mündlich zu Protokoll. Hierfür muss sich der Schuldner unbedingt über eine telefonische Voranmeldung einen Termin bei der Behörde zuweisen lassen.
Als zuständige Behörde gilt prinzipiell das Bezirksgericht am Hauptwohnsitz des Schuldners, den er am Zeitpunkt der Antragsstellung unterhält. Um einen Konkursantrag mit Kostenvorschuss einbringen zu können, muss der Schuldner ein Formular zum Vermögensverzeichnis gemäß § 185 IO ausfüllen.
Die Anlaufkosten für das Verfahren liegen durchschnittlich zwischen 100 und 1000 Euro.
Zusätzlich muss die Person in Privatkonkurs die Kosten für den ausführenden Insolvenzverwalter tragen. Die Mindestentlohnung beträgt österreichweit rund 1000 Euro. Können zahlungsunfähige Personen die entstehenden Gebühren nicht tilgen, sollte die Hilfe eines Schuldnerberaters genutzt werden.
Zahlungsplan statt Kostenvorschuss
Der Großteil der Schuldner kann die finanzielle Belastung für den Kostenvorschuss nicht aufbringen. In diesen Fällen ist ein Antrag auf Eröffnung des Schadensregulierungsverfahrens lediglich unter strengen formalen Kriterien möglich. Betroffene, die den Kostenvorschuss nicht leisten können, müssen ein Vermögensverzeichnis nach § 185 IO gepaart mit einem zulässigen Zahlungsplan vorweisen können.
Außerdem muss die zahlungsunfähige Person ein Abschöpfverfahren mitsamt Restschuldbefreiung beantragen. Ferner ist nachzuweisen, dass die jeweiligen Bezüge die Kosten des Schadensregulierungsverfahrens abdecken.
Welche Folgen zieht eine Insolvenzeröffnung nach sich?
Die Eröffnung eines Schadensregulierungsverfahrens ist stets an eine Veröffentlichung im Internet gebunden. Parallel tritt ein Zinsenstopp für alle Forderungen in Verbindung mit einem Exekutionsstopp in Kraft. Im Anschluss an die Eröffnung werden Arbeitgeber, Gläubiger und die kontoführende Bank über den Vorgang in Kenntnis gesetzt. Von dem Bankkonto einer Person in Privatkonkurs wird regelmäßig pfändbares Einkommen eingezogen.
Der Schuldner kann lediglich über unpfändbare Anteile seines Erwerbs verfügen. Viele österreichische Bankinstitute kündigen Personen in Privatkonkurs ihr Konto. Die Eröffnung des Verfahrens erlegt Schuldnern ein Verbot für bestimmte Rechtsgeschäfte auf.
In Einzelfällen werden zweiseitige Verträge zwischen der insolventen Person und Dritten aufgelöst werden. In Sonderfällen geht die Eröffnung des Privatkonkurses mit der Bestellung eines Insolvenzverwalters einher. In diesen Fällen wird der Schuldner mit einer Postsperre belegt.
Wann ist ein Privatkonkurs aufgehoben?
Die Insolvenz ist hinfällig bzw. aufgehoben, wenn eine Mehrheit der Gläubiger den Zahlungsplanentwurf bzw. den jeweiligen Sanierungsplan angenommen hat.
Ebenso ist der Privatkonkurs aufgehoben, sofern das Abschöpfungsverfahren rechtsgültig eingeleitet worden ist. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens müssen Schuldner konsequent die vertraglich zugesicherten Zahlungen leisten und im Zuge des Abschöpfverfahrens durchgängig alle ihnen auferlegten Pflichten erfüllen.
Werden alle Verpflichtungen bedient, werden die übrigen Schulden erlassen. Kommt die zahlungsunfähige Person den Verbindlichkeiten nicht konsequent nach, leben sämtliche Schulden mitsamt Zinsen erneut auf.
Was ist ein Sanierungsplan?
Der Sanierungsplan ist an eine Mindestquote in Höhe von 20 % gekoppelt. Privatpersonen müssen Zahlungsvereinbarungen gemäß eines Sanierungsplans binnen maximal 5 Jahren an Gläubiger entrichten.
Die Quote muss von der jeweiligen Mehrheit der Gläubiger offiziell anerkannt werden. Dies ist durch eine gerichtliche Bestätigung zu untermauern.
Der ganzheitlich ausbezahlte Sanierungsplan befreit den betreffenden Schuldner von seiner individuellen Restschuld mitsamt Zinsen. Das zuständige Gericht besitzt die Option dargelegte Sanierungspläne abzulehnen. Diese Praxis findet Anwendung, wenn eine Erfüllung des Plans langfristig als unmöglich gilt. In diesem Kontext kann die insolvente Person ein Zahlungsplanverfahren oder Abschöpfungsverfahren anstreben.
Was ist ein Zahlungsplan?
Im Rahmen eines Zahlungsplans muss der Schuldner den Insolvenzgläubigern eine für ihn subjektiv “ zumutbare“ Zahlungsquote anbieten, die sich nach seiner voraussichtlichen finanziellen Einkommenslage der nächsten 5 Jahre richtet.
Bei Bedarf kann die Zahlung gestaffelt in Raten vorgenommen werden. Die Zahlung erstreckt sich über ein 7 Jahre andauerndes Zeitfenster. Akzeptiert die Mehrheit der Gläubiger den Plan und bedient der Schuldner vertragsgemäß seine Verbindlichkeiten, erlöschen die Restschulden.
Verschlechtert sich die finanzielle Situation der Person in Privatkonkurs während der festgeschriebenen Zahlungsfrist, muss der Betroffene innerhalb von 14 Tagen nach Zugang einer Gläubigermahnung eine Abänderung des Zahlungsplanes veranlassen und ein Abschöpfverfahren mit Restschuldbefreiung einleiten.
Wie verläuft ein Abschöpfverfahren mit Restschuldbefreiung?
Um ein Abschöpfverfahren mit Restschuldbefreiung beantragen zu können, muss ein Nichtzustandekommen eines Zahlungsplanes nachgewiesen werden. Das Verfahren fungiert als Auffangnetz für Zahlungspläne, die durch die Gläubigermehrheit abgelehnt worden sind.
Bei einem Abschöpfverfahren fällt den Gläubigern keine festgeschriebene Quote zu. Ebenso erfordert dieses Modell keine Zustimmung der Gläubigermehrheit. Über Zulässigkeit, Abwicklung und Restschuldbefreiung bestimmt ausschließlich das Gericht.
Allerdings ist der Schuldner zwingend dazu verpflichtet für mindestens 5 Jahre eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben.
In dieser Phase sind sämtliche pfändbaren Erträge an den zuständigen Treuhänder abzuführen. Bedient der Schuldner während des Abschöpfverfahrens alle Verbindlichkeiten, gibt das Bezirksgericht nach Ablauf der 5 Jahre die Restschuldbefreiung bekannt. Scheitert das initiierte Abschöpfverfahren, wird der Schuldner mit einer zwanzigjährigen Sperrfrist für ein erneutes Abschöpfverfahren belegt.
Welche Änderung birgt die Novelle des Insolvenzrechts 2017?
Zum 1. November 2017 wurden die Regelungen zum Abschöpfverfahren modifiziert.
Seit diesem Stichtag ist die ehemals siebenjährige Dauer des Verfahrens auf 5 Jahre eingeschmolzen. Gemäß der neuen Novelle zum Insolvenzrecht ist keine bestimmte Mindestquote festgeschrieben, um eine Restschuldbefreiung nach Ablauf der 5 Jahre zu erwirken.
Bis November 2017 mussten Schuldner während des Abschöpfverfahrens eine Mindestquote von 10 % bedienen.
Obwohl die neuen rechtlichen Bestimmungen des Insolvenzsrechts Schuldnern die Möglichkeit für einen nullprozentigen Zahlungsplan eröffnen, bieten nahezu alle Schuldner, die über ein nicht verpfändbares Einkommen verfügen, Zahlungspläne mit Tilgungsquoten an.
Das Modell des “ Null- Prozent- Plans“ ist in der Realität bislang weitgehend Theorie. Der Zahlungsplan im Zuge eines Privatkonkurs- Verfahrens ist als wegweisendes Entscheidungsinstrument einzuordnen, das wegen der derzeitigen Rechtslage langfristig bestehen bleiben wird.
Die Quoten in vorgelagerten Zahlungsplänen, bewegen sich in der Regel in der Größenordnung der monatlichen Treuhändervergütungen, die in einem etwaigem Abschöpfverfahren aufzuwenden sind. Dieser Betrag müsste bei Verweigerung des Zahlungsplans entrichtet werden.
Sofern ein Gläubiger einen Zahlungsplan ablehnt, wird ein verkürztes Abschöpfverfahren eingeleitet. Während dieses fünfjährigen Zeitfensters hebt der zuständige Treuhänder pfändbare Bezugsteile des Schuldners ein und verteilt diese an die Gläubiger. Werden in dieser Phase keine Obliegenheitsverletzungen registriert, ist die Restschuld des Betroffenen innerhalb von 5 Jahren abgegolten.